Tee in Cocktails zu verarbeiten ist unter Wiens Barkeepern gang und gäbe. Trotzdem fehle es an fundiertem Hintergrundwissen, meint Barbetreiber Kan Zuo – und lud die Branche zur Masterclass.
Text · Sonja Planeta
Rezepte · Kenny Klein & Reinhard Pohorec
Fotos · Sonja Planeta & Stefano Trabison
Wer sich in der ausklingenden Skisaison mit dem berühmt berüchtigten Jagatee warm und bei Laune gehalten hat, dem sei prophezeit: Sobald der Wechsel von den Skihütten des Landes zurück in die heimischen Bars vollzogen ist, geht es auch mit den beleidigten Geschmacksknospen wieder bergauf – versprochen! Denn ein Blick in die Barkarten genügt, um zu wissen, dass die Kombination Tee mit Alkohol weitaus spannender und geschmackvoller sein kann, als ein Stamperl billigen Rum in Schwarztee zu kippen. Beispiele gefällig? Sigrid Schrott serviert in der Hammond Bar einen „Happy Chinese“ mit Tequila-weißer Tee Infusion, Plaumensaft, Jasminsirup und frischem Limettensaft. Wer bei Bert Jachmann im Heuer einen „Süßwein Flip“ bestellt, bekommt einen Drink aus Beerenauslese Cuvée, Marillenbrand, Rooibos Tee, rohem Ei und Zucker. Vergleichsweise klassisch wird’s hingegen bei Falco Torini in der Bar Miranda mit einem „Earl Grey Fizz“ aus Earl Grey Infused Gin, Soda, Zuckersirup und Zitronensaft. Generell scheint Gin mit Earl Grey zu aromatisieren übrigens die gängigste Variante zu sein: Auch im Puff („Dukes Earl Grey“) und im Bei mir („Golden Boy“) setzt man auf die feinherbe Paarung.
Alles in allem also eine stattliche Auswahl für Liebhaber der hochprozentigen Teezeit – oder doch nicht? „Gin oder eine andere Spirituose mit Tee zu infusionieren ist heute Standard, das macht in Wien jeder Barkeeper. Trotzdem kann in der Barszene niemand behaupten, dass er sich gut mit Tee auskennt und über den Anbau, die Herstellung und unterschiedlichen Wirkungen Bescheid weiß“, bescheinigt Kan Zuo, mehrfach international ausgezeichneter Inhaber der ebenso preisgekrönten Bar The Sign, seinen Branchenkolleginnen und -kollegen Nachholbedarf in Sachen Teekunde. Selbst er, der als gebürtiger Chinese mit Tee aufgewachsen sei, habe auf diesem Gebiet noch lange nicht ausgelernt. Zu dieser Erkenntnis kam Zuo im Oktober 2016 während einer Masterclass der Teemarke Dilmah. „Von 7 Uhr in der Früh bis 18 Uhr am Abend wurde mir gezeigt, was man mit Tee alles anstellen kann. Was ich gesehen und gelernt habe war dermaßen überzeugend, dass ich das Gleiche auch hier in Wien umsetzen wollte, aber mit einem Bar-Schwerpunkt“, erklärt Kan Zuo. Die logische Konsequenz: Eine Masterclass für Barkeeper zum Thema „Tea & Cocktails“ – aber mit Mehrwert. „Seit Jahren hatten wir keine gute Masterclass mehr. Den Herstellern geht es immer nur um das Marketing und den Lifestyle, ohne das Produkt zu erklären. Hauptsache Hipster, tätowiert und mit Bar. Wenn du die Barkeeper anschließend fragst, was die Spirituose besonders macht und wie lange und in welchen Fässern sie gelagert wird, schaust du häufig in ratlose Gesichter. Dagegen wollten wir ein Zeichen setzen und zeigen, dass eine Masterclass auch in die Tiefe gehen kann.“
Neben Vorträgen von zwei Teemarken, die vom Anbau über Pflückmethoden bis zur Verarbeitung den gesamten Herstellungsprozess abbildeten, gab es deshalb auch drei praktische Sessions: Eine mit Kenny Klein, Cocktail-Caterer und Österreich-Finalist bei der Bacardi Legacy Global Cocktail Competition 2017, eine mit Bar-Consultant und World Class Bartender Reinhard Pohorec und eine mit Karina Rizaj, Pâtissière im Hilton Plaza Vienna, die Ideen für essbare und mit Tee aromatisierte Cocktailgarnituren lieferte. Kenny Klein, der von sich selbst sagt, „Drinks für nicht-geübte Trinker“ zu kreieren, servierte fünf verspielte Cocktails, wie etwa einen „Minion Old Fashioned“ mit einem Toffee Banana Tee-Sirup, „Neocitran“ mit einem selbst hergestellten Filler aus Soda, Zitrone und Earl Grey und „Singha Mule“ mit Earl Grey-Lavendel-Tinktur. „Der Austausch mit dem Gast funktioniert über verspielte Drinks sehr gut. Die Cocktails sind natürlich nicht in jeder Bar umsetzbar, aber im Cateringbereich hat sich dieser Stil bewährt, weil die Gäste nicht lange nachfragen, was Mezcal oder Falernum ist, sondern sich einfach darauf einlassen“, erzählt Kenny Klein.
Reinhard Pohorec spezialisierte sich in seinem Teil der Masterclass wiederum auf die Verwendung von Matcha, also feinst vermahlenem grünen Tee, und anderen sogenannten Tea Powders. „Tee in Cocktails ist keine neue Erfindung, das war schon immer ein probates Mittel, um ein Aroma in eine Spirituose zu bringen“, erklärt Pohorec einleitend. Bei seinen sechs eigens für die Masterclass entwickelten Drinks kommen die Teepulver abwechselnd pur in den Shaker oder wurden vorab für die Herstellung von Infusions und Sirupen verwendet. Bei seiner Kreation „Grünblüter“ etwa wird eigens zum Kochen geeigneter Matcha mit Rum, Verjus, weißem Paradeisersaft, Salz, Pfeffer, heller Sojasace und Celery Bitters mit dem Stab- oder Standmixer vermischt und in einem vorgekühlten Cocktailglas serviert. Als Garnitur dient ein gedörrter Paradeiser mit Matcha. Auch wenn Pohorec von Cocktail-Vergleichen wenig hält, ist hier die Assoziation zu einer grünen Bloody Mary naheliegend. Wir sagen: Teatime at its finest!
Curiosity
(Kenny Kleins Siegerrezept bei der Bacardi Legacy Österreich Competition)
Zutaten für 1 Drink:
6 cl BACARDÍ 8 Años
1 Barlöffel Earl Grey Tee
2 cl Smokey PX Sherry
1 cl Suze Saveur d’autrefois
1 cl Vanillesirup*
1 Stk. Orangenschale
Alle Zutaten shaken, in ein „Nick and Nora“-Glas abseihen und mit Orangenschale und Kirsche garnieren.
*Für selbstgemachten Vanillesirup Wasser und Zucker im Verhältnis 1:1 mit fünf Vanilleschoten kochen und ca. 20 Minuten ziehen lassen. Langsam auskühlen lassen und bis zur weiteren Verwendung kalt stellen.
Grünblüter
(Reinhard Pohorec)
Zutaten für 1 Drink:
1,5 Barlöffel KISSA Matcha for Cooking
4,5 cl BACARDÍ 44,5%
1,5 cl Verjus
8 cl Paradeiser Wasser/weißer Paradeisersaft
Salz, Pfeffer, helle Sojasauce, Celery Bittrs
Zutaten mit dem Stab-/Standmixer vermischen und in einem vorgekühlten Cocktail Glas servieren. Mit gedörrter Paradeiser mit Matcha dekorieren.