Die Herzig-Mischung macht’s

Sören Herzig hat sich mit seinem ersten eigenen Restaurant einen Traum erfüllt. Über seine Gerichte gibt er charakterlich viel preis: Der Spitzenkoch zeigt sich weltoffen, detailverliebt und mit Sinn für Humor.

Text · Sonja Planeta
Fotos · Stefan Gergely

„Mir ist wichtig, mich in meiner Küche ausleben zu können. Regeln auch einmal zu brechen.“
Sören Herzig, Restaurant Herzig

Silberbesteck polieren? Lästig. Tischdecken bügeln? Zu zeitaufwendig. Klassische Menükarten? Lässt sich origineller lösen. Dreieinhalb Jahre hat Sören Herzig am Konzept für sein erstes eigenes Restaurant gearbeitet. Sich Notizen gemacht, was er will – und was nicht. Entgegen dem Rat von Branchenkollegen, sich in der Wiener Innenstadt anzusiedeln, entschied er sich für eine Immobilie außerhalb des üblichen Gastro-Speckgürtels. Und wurde in Rudolfsheim-Fünfhaus fündig. Seit April dieses Jahres betreibt er mit seiner Frau und Gastgeberin Saskia in der ehemaligen Zweigstelle des Auktionshauses Dorotheum das HERZIG.

Der Standort entpuppt sich als Glücksgriff. Über 25 Jahre stand der denkmalgeschützte Sichtbetonbau von Architekt Michael Rosenauer aus den 1920er Jahren leer. Mit der Sanierung kamen die hippen Unternehmer in die Schanzstraße 14: Das Erdgeschoß teilt sich Herzig mit Galerist Clemens Gunzer, auf den vier Stockwerken darüber befinden sich Architektur- und Grafikbüros, App-Programmierer, Webdesigner, Start-ups und das Adidas-Hauptquartier. Die Panorama-Dachterrasse wird kollektiv geteilt, nach Büroschluss dient sie Herzig-Sommelier Johann Artner je nach Jahreszeit und Wetter aber vor allem als eindrucksvolle Kulisse für den Aperitif mit Blick auf Schloss Schönbrunn und die Gloriette. Für das Interieur des Restaurants engagierte Herzig das im Haus ansässige Büro KLK. Er ließ nach seinen Vorstellungen Wittmann Sessel von Möbeldesigner Marco Dessi mit olivgrünem Samt überziehen und die Schank mit sonderangefertigten Karak Fliesen verkleiden, auf denen das charakteristische Herzig-Logo prangt: eine Abwandlung der „Herz“-Rune, die vom ebenfalls in die Schanzstraße übersiedelten Designstudio Bureau F entworfen wurde. Die Wände zieren Kunstobjekte, bereitgestellt vom bereits erwähnten, benachbartem Galeristen, darunter eine wandfüllende Malerei des österreichischen Künstlers Peter Jellitsch und Bilder von Clemens Wolf. Das Herzig, ein „Schanz14“-Gemeinschaftsprojekt? Es mutet ein wenig so an. Wer nicht schon in der Konzeptionsphase mitgewirkt hat, erweist dem Spitzenkoch spätestens jetzt in der Mittagspause beim Herzig-Lunch die Ehre.

Vielfalt ist Sören Herzigs Stärke. Das verbindende Element in einer siebengängigen Menüfolge. Durch seine Zeit bei Sternekoch Juan Amador ist Herzigs Küche sehr säurebetont, durch die zahlreichen gemeinsamen Reisen und Restaurant-Eröffnungen in Europa und Singapur aber vor allem von internationalen Einflüssen geprägt. Auf eine bestimmte Küche will sich der gebürtige Cuxhavener nicht festlegen. Darum gibt es auch ein marokkanisch-inspiriertes Poulet au Citron mit Couscous, Safran und Salzzitrone, danach eine Vitello tonnato-Abwandlung aus Kalbsrücken, Thunfischcreme, Erbse und Parmigiano Reggiano und anschließend Toast Hawaii mit Gauda, Schinken und Ananas. Als ihm noch zu Amador-Zeiten nach Pasta ist, interpretiert er kurzerhand Spaghetti Carbonara neu. Heute ist der italienische Klassiker in der Miniatur-Variante Herzigs Signature Dish. Statt der ursprünglich verwendeten Reisnudeln nimmt er mittlerweile aber Fregola Sardo; sie verleiht dem Gericht mehr Biss. Dazu kommt ein Tomatenfond, Spitzpaprika- und Beinschinkenwürfel, ein pochiertes Wachtelei, warmer Schinkenschaum und obenauf knuspriger Speck, Brotcroutons und Schnittlauch. Voilà, Nummer Drei in der Amuse-Gueule-Folge.

Sören Herzig hat lange überlegt, welcher Begriff seine Küche am besten umschreibt. Welches Wort er verwenden könnte, um nicht (nur) eine Art von Gast anzusprechen. Und nicht abgehoben zu wirken. Das Fine in Fine Dining hat er schließlich durchgestrichen. Allein der Standort hätte ohnedies schon genug Vorurteile geschürt, erzählt er. Noch bevor der Wiener da war, hatte er das Herzig bereits bewertet. So läuft es nun mal ohne Auszeichnungen. Auch wenn die verteufelt werden: Aber ohne Anerkennung braucht es erstmal seine Zeit, bis man sich positioniert hat. Doch der Wiener ist ein Gewohnheitstier. Damit weiß Herzig geschickt umzugehen: Mit seinen Gerichten weckt er Kindheitserinnerungen. Abends mit Carbonara und Toast Hawaii ebenso wie am Mittag beim Lunch, wo es Schweinsbraten „wie von der Mama“ mit Erdäpfelknödel und Krautsalat und beim Pasta-Mittwoch auch mal Bolognese gibt. Das wird seit der Eröffnung sehr gut angenommen: von Gästen aus der Stadt wie auch von außerhalb. Es ist eben die einzigartige Herzig-Mischung, durch die der charismatische Koch seinen Platz in Wien gefunden hat.

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