From nose to tail: Richard Rauch avanciert mit seiner steirischen Innereienküche zum kulinarischen Epizentrum der Region. Über die Ästhetik von Hoden, Hirn & Co.
Text · Sonja Planeta
Fotos · Rolling Pin (stage), www.captivo.at (food)
„Die Form von Innereien ist tatsächlich nicht sehr ansprechend.“
Richard Rauch, Steira Wirt
Das Schlachtgut am rechten Bühnenrand ist aus den hinteren Reihen nur schwer im Detail erkennbar. Wer Richard Rauch kennt, weiß jedoch auch ohne Leinwand-Großaufnahme, was in einigen Metern Entfernung am Eisenhaken hängt: Rauch ist einer der versiertesten Spitzenköche Österreichs, wenn es um die Verarbeitung ganzer Tiere geht. In seinem Gourmet-Wirtshaus Steira Wirt im oststeirischen Trautmannsdorf ist die „gekochte Innenwelt“ längst fixer Bestandteil der Speisekarte. Neben bekannten Klassikern wie steirische Klachelsuppe, Beuscherl und geröstete Nieren finden sich hier auch „Exoten“ wie Milch-Kuheuter und „steirische Jakobsmuscheln“: Leicht rosa gebratene Stierhoden, die Rauch während seiner Cooking Demonstration bei den CHEFDAYS 2016 mit grünen, unreifen Erdbeeren, rohem Kohlrabi Wan Tan, Zitronenzesten und Stierpenischips anrichtet.
„Wenn man Innereien mit Fingerspitzengefühl ins rechte Licht rückt, bekommen sie einen charmanten, teils auch humorigen Look“, erklärt Rauch, der nun mit Traubenkernöl roh mariniertes und dünn aufgeschnittenes Kalbsherz arrangiert, „ähnlich einem Carpaccio.“ Dazu serviert er schwarze Ribisel, Püree von violetten Karotten, pulverisierte Salzkapern, Johannisbeereis und -pulver und garniert mit grünem Pfeffer und Blättern vom Johannisbeerstrauch. „Auch so kann steirische Innereienküche aussehen.“
Richard Rauch, Jahrgang 1985, hat den elterlichen Betrieb mit 17 Jahren übernommen, seither führt er den Steira Wirt gemeinsam mit seiner Schwester Sonja. 2014 wurde Rauch vom Gault Millau erstmals mit drei Hauben ausgezeichnet. Die Innereien für seine Kreationen stammen aus der ebenfalls von seiner Familie geführten Fleischerei, die anderen Produkte weitgehend von Lieferanten aus der Region. „Regionalität muss man leben, spüren, sonst ist es nur ein abgedroschenes Wort. Man muss mit den Produzenten Hand in Hand gehen“, so Rauch, der mittlerweile an seinem dritten Gericht arbeitet. Im Mittelpunkt: Eine lauwarme Creme aus Kalbshirn, „mit einer Konsistenz wie Mayonnaise. Kann man auch gut als Basis für Aufstriche verwenden.“ Begleitet wird die Creme von feinen Rapsknospen und -blüten, verschiedenen Getreidesorten wie Gerste und Buchweizen, einer leicht asiatischen Marinade „für die salzige Note“ und Ananasmelisse. Heimische Innereienküche war wohl selten farbenfroher.
„Österreichische Inneren mit asiatischen Aromen“ anzureichern, gehört übrigens zu Rauchs persönlichen Vorlieben. Bei seinem vierten und letzten Gericht kombiniert er Herzbries mit einer Salzzitronencreme, über Nacht in Essig eingelegten Senfkörnern, geschmorten jungen Radieschen, heißem Kuttel-Dashi-Fonds und knusprig gebratenem Kuheuter. „Das Bries wir im Rohr kurz überbacken, der Fond mit getrockneten Morcheln auf Kalbsfondbasis hergestellt“, erklärt Rauch. Selbst „Grauzonen-Innereien“ wie Euter werden so zum reinsten Augenschmaus.